• Snobistische Aphorismen

    „Der Deutsche liebt die scharfen Distinktionen. Warum nicht Hoch-, Höher-, Höchstedelgeborener, Wohl-, Besser, Bestgeborener Herr?“ fragte sich Georg Cristoph Lichtenberg am Ende des 18. Jahrhunderts. „Könnten nicht die Titel Magister, Doktor pp. zu Taufnamen erhoben werden?“ war sein naiver aber trotzdem sehr attraktiver Gedanke. Bei den Amerikanern sind Taufnamen wie Prince, Earl, Baron oder Duke ja keine Besonderheit mehr.  Aber kein Deutscher nahm ihm diese Anregung ernst. Ja, ich kann mir gut vorstellen, dass Sie sich jetzt verbittert fühlen. Sie können sich ja immer noch eine Green Card bewerben, und so dafür sorgen, dass  Ihr Nachwuchs jedenfalls einen hochherrschaftlichen Vornamen hat. Sonst sollten Sie allerdings nicht viel Snobismus in den USA erwarten: dafür ist das Land zu groß.

    Diese Fragen lassen allerdings ahnen, dass die Deutschen während Lichtenbergs Zeit, schon sehr sensibel für den Titelsnobismus waren. „Herr Schnetter, Hofmeister von Herrn von Reineck, schrieb hinter seinen Namen Gouverneur. Wie viel Torheiten müssen nicht in einem Kopfe Quartier machen, ehe eine solche Platz findet.“ Oder : „Königlicher Hofblitzableiter – ein Titel.“ Lichtenberg war der Meinung, dass wir so manches ganz anders sehen würden, „wenn uns nicht der Adel im Kopf steckte.“ Er selbst gibt zu ein Kunst- & Antiksnob zu sein: „Auf einer meiner Reisen wurde ich in ein Kabinett von Büsten und Statuen geführt. Mir gefiel trotz der vielen alten teuren Köpfe die Büste eines Demokrit, der etwa 50 bis 60 Jahre alt sein mochte, mehr als alles. Allein um mich nicht von der Frau, die das Kabinett zeigte, auslachen zu lassen, fiel mein Lob auf einen alten Caligula, dem die Zeichen der Auferstehung, römischer Gartenerde, noch hinter den Ohren saß, und die Frau sagte, ich müsste ein Herr von Geschmack sein.“

    Kulinarische Snobs gab es damals eindeutig auch schon: „Dass wir nur Geschmack an englischen und französischen Sachen haben, ist ein Zeichen, dass unser Geschmack und Kräfte sich voneinander entfernt haben. Unser Appetit ist leckerer als es noch zur Zeit unser Boden mit sich bringt.“ Und den literarischen Snobs rät er:  „Von den jedermann bekannten Büchern muss man nur die allerbesten lesen und dann lauter solche, die fast niemanden kennt, deren Verfasser aber sonst Männer vom Geist sind.“  Oder, den doch wohl sehr snobistischen Vorschlag: „In einem kalten Winter Bücher zu brennen.“

    Und schließlich, eine goldene Gebrauchsanweisung von Lichtenberg für Snob-Debütanten:  Die große Regel: Wenn dein bisschen an sich nichts Sonderbares ist, so sage es wenigstens ein bisschen sonderbar.“