• Dentiste snob


  • Die Dame aus Bremen

     

    Wir Snobs, wir verabscheuen den Alltag, die Monotonie und das Banale,
    das Durchschnittliche, das Unedle, das Herkömmliche, das Triviale.
    Auch meiden wir beschränkte und ranglose Herrschaften bei unserem Tee,
    Denn das Geringfügige und das Normale sind nicht gut für unser Renommee.
     
    Wir Snobs, wir bevorzugen Einzigartigkeiten, Exklusivitäten und Kompetenz,
    Wir kennen nur einflussreiche Leute mit hoher Begabung, Autorität oder Intelligenz:
    Und für Ausnahmen und Einmaligkeiten kommen wir fast nie zu spät:
    Weltmeister, Meisterköpfe, Preisträger und Genies sind unsere Spezialität.
     
    Wir Snobs, wir verehren das Geniale: weil wir selbst auch davon begnadet sind!
    Geniale Menschen dürfen sogar bei uns übernachten, mit ihrem Hund, sogar mit ihrem Kind.
    Dann plaudern wir über verschiedene Materien und Themen; aber immer mit Euphuismus:
    Unsere Dinner sind die Erstrebenswertesten der Stadt! Wir SIND den Snobismus!
     
    Es gab einmal eine berühmte Gastfrau in Bremen, bestimmt der größte Snob weit und breit,
    jetzt aber sehr verschämt und verdrossen: die Arme, sie tat jedem absolut Leid!
    Es fehlte ein Genie an ihrer nächsten mondänen Soirée, geplant schon für morgen!
    Diese Blamage wäre fatal: das machte die Bremerin die meist ernsthafte Sorgen.
     
    Sie hatte schon vieles versucht, war schon in Ohnmacht gefallen, dreimal sogar,
    Sie wusste, dass eine Gastfrau mehrere Genies in ihrer Menagerie brauchte, zwar,
    Wäre ihr treuestes Genie doch nicht gerade eingeladen auf einen wichtigen Kongress,
    Und sein Ersatz nicht erkältet, dann hätte sie nicht all diesen entsetzlichen Stress.
     
    Das Menu war bereitet: geschmuggelte Gänseleberpastete und einen hervorragend Sekt,
    Und der Rehrücken à la Royale im Ofen duftete auch schon ganz  korrekt.
    Auch die Gästeliste war, außer dem peinlichen Detail, deliziös kosmopolitisch und dekadent:
    ein polnischer Bischoff, eine belgische Herzogin und ein talentierter Maler aus Taschkent. 
     
    Und noch etwas kleiner Landsadel, um die Lücken zu füllen, und dazu immer bereit,
    Vielleicht noch ein Politiker, aber das war jedoch keine Obliegenheit.
    Die sind ja auch meistens unterwegs und völlig unzuverlässig, ob Frau oder Mann.
    Und ein Genie, das sind sie, und wir bedauern, außerdem nur dann und wann.
     
    Es gab da vielleicht noch einen tugendhaften Professor an einer Leipziger Universität,
    aber der dachte er sei eine Wiedergeburt Nietzsches, und hielte eine vegetarische Diät,
    Dazu einen obskuren Wissenschaftler in einem Vorort von Wien,
    Der allerdings den Schnellzug verpasste und niemals auf dem mondänen Dinner erschien.
     
    Die arme Bremerin: sie war schon von ihrem Dachbalkon gesprungen,
    Hatte beinahe den ganzen Rehrücken verschlungen!
    Nach drei Schachteln Schokolade, wäre das deplaciert und gestört:
    Sie hatte anscheinend vergessen, was sich laut Etikette gehört.
     
    Man fand sie im Weinkeller, pudelnackt, fast dämonisch, in einer ärgerlichen Konstellation,
    Also rief man den Hausarzt, denn was konnte man machen in einer solchen Situation.
    Nein, es war keine vorübergehende Niedergeschlagenheit oder leichte Melancholie,
    Keine übliche Depression,  kein Katzenjammer und auch keine Hypochondrie.
     
    Es ist der Wahnsinn, meinte der Doktor. Da hilft nur Ruhe, Stille und Rast.
    Jedes Genie befürchtet ihn, gruselt und zittert vor ihm, oder fast.
    Und jetzt terrorisiert er auch eine Dame aus Bremen, aus unserem engen Kreis,
    Und er schickte sie deswegen schnellstens in ein exquisites Sanatorium in der Schweiz.
     
    Der Bischoff schickte einen Blumenkranz, als wäre sie schon eine Leiche,
    Die andere Gäste nur eine Mail mit „Gute Besserung“ oder desgleichen,
    Es meldeten sich noch vier Genies, aus Barmherzigkeit oder aus Hunger obendrein,
    Die Reste des Rehrückens à la Royale schienen zuletzt noch ausreichend zu sein.
     
    In der Schweizer Klinik, wurde die Dame aus Bremen schnell wieder wohl,
    In ihrem Zimmer mit Aussicht auf den Wiesen und den Berggipfel La Dôle.
    Sie fand ihr normales Gewicht wieder und auch ihre Ruh’, alles ganz leicht und ohne Qual,
    Und sie verliebte sich in einem Chirurgen von dem man sagte, er wäre „einfach genial!“ 
     
    Er war ein Genie in der plastischen Chirurgie, ein internationales Gewicht.
    Sie heirateten bald und etablierten sich in einer Villa an einem See, ganz schlicht.
    In Bremen war sie jahrelang der Gesprächsstoff Nummer Eins, jeder wußte über sie Bescheid;
    Manche Gastfrauen äußerten sogar öffentlich und hemmungslos ihren Eifersucht und Neid. 
     
    Schließlich hatte sie jetzt ihr eigenes Genie, ganz praktisch zu Hause, sogar in ihrem Bette,
    Immer bereit für ein mondänes Dinner oder einen Tee mit ihrer Freundin Henriette!
    Einige meinten sogar, da der Wahnsinn sie getroffen hatte, sie wäre auch ein Genie. 
    Aber einen internationalen Preis für ihre Geistesgröße bekam die Dame aus Bremen nie.
     
    Somit endet unser Kuriosum in St. Gallen, in einer herrlichen Villa an einem See mit Jet,
    Sie hätte jedoch auch in einem Asyl im tiefen Bayern enden können, gefesselt an einem Bett!
    Die Moral dieser Geschicht’ liegt trotz allem auf der Hand:
    Man braucht mehr als zwei Genies in seinem Adressenbestand.
    Antonius Moonen

    (extrait de Kosmopolis 21/22 - Interkulturelle Zeitschrift aus Berlin)


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    Il est sorti, le dernier Kosmopolis, le magazine "interkulturel" de Berlin! La thématique, cette fois-ci, est le génie. Y participent : Ronald Daus, Ursula Daus, Tamara Pracel, Antonius Moonen, Mario Vargas Llosa, Peter B. Schumann, Elisa Rath, Alex Westwood, Corinna Rohloff 

    Voici, un petit résumé, en allemand: 

    Angesichts der vernetzten Flut von Geistreichem und Banalem stellt sich einmal mehr die Frage nach dem wahrhaft Außerordentlichen, dem Genialen. Kann es in der aktuellen Gleichwertigkeit von Alltag, Hype und völlig überschätzten Geistesblitzen überhaupt noch einen genialischen Moment geben?

    Aus der Geschichte kennen wir die Definition eines Genies und dessen typischen Vertretern: „Das Genie vollendet, par excellence, was die Natur selbst nicht hatte zum Abschluß bringen können.“ Im abendländischen Kulturkreis gehörten Dichter, Philosophen, Maler, Musiker, Wissenschaftler, Ingenieure und einige wenige Politiker zu den anerkannten Genies.

    Wer heute nach diesen Ausnahmemenschen Ausschau hält, findet sich schnell wieder auf der Seite der „Border crossers“, der „Autisten“, der „Bizarren“, der snobistischen „Verweigerer“ oder gar der „Ausgestoßenen“. Genies zeichnen sich durch besonders intensive Gefühle, Vorstellungen oder Erinnerungen aus, deren Intensität bei Normalsterblichen eher Angst als Bewunderung auslöst. „Keiner muß heute mehr ein Genie sein“, heißt somit auch folgerichtig unser erster Beitrag in diesem Heft.

    Doch immer wieder machen sich einige „Unbelehrbare“ daran, dem Geniekult auf ihre ganz eigene Art zu frönen. Wir haben sie in dieser Ausgabe versammelt, vom Literaturnobelpreisträger 2010 bis zu einem jungen Zeichentalent, das ein Genie aus einem vergangenen Jahrhundert mit seiner Arbeit würdigt. Auch die lange im Westen belächelten, heute als mediale Erneuerer gefeierten Regisseure, Choreographen und Superstars von Bollywood zieren unser Tableau. Und natürlich feiern wie die unsterblichen Kunstgenies, die in Zeiten der geschmacklichen Beliebigkeit ästhetischen Halt bieten können.

     

     


  • „Der Deutsche liebt die scharfen Distinktionen. Warum nicht Hoch-, Höher-, Höchstedelgeborener, Wohl-, Besser, Bestgeborener Herr?“ fragte sich Georg Cristoph Lichtenberg am Ende des 18. Jahrhunderts. „Könnten nicht die Titel Magister, Doktor pp. zu Taufnamen erhoben werden?“ war sein naiver aber trotzdem sehr attraktiver Gedanke. Bei den Amerikanern sind Taufnamen wie Prince, Earl, Baron oder Duke ja keine Besonderheit mehr.  Aber kein Deutscher nahm ihm diese Anregung ernst. Ja, ich kann mir gut vorstellen, dass Sie sich jetzt verbittert fühlen. Sie können sich ja immer noch eine Green Card bewerben, und so dafür sorgen, dass  Ihr Nachwuchs jedenfalls einen hochherrschaftlichen Vornamen hat. Sonst sollten Sie allerdings nicht viel Snobismus in den USA erwarten: dafür ist das Land zu groß.

    Diese Fragen lassen allerdings ahnen, dass die Deutschen während Lichtenbergs Zeit, schon sehr sensibel für den Titelsnobismus waren. „Herr Schnetter, Hofmeister von Herrn von Reineck, schrieb hinter seinen Namen Gouverneur. Wie viel Torheiten müssen nicht in einem Kopfe Quartier machen, ehe eine solche Platz findet.“ Oder : „Königlicher Hofblitzableiter – ein Titel.“ Lichtenberg war der Meinung, dass wir so manches ganz anders sehen würden, „wenn uns nicht der Adel im Kopf steckte.“ Er selbst gibt zu ein Kunst- & Antiksnob zu sein: „Auf einer meiner Reisen wurde ich in ein Kabinett von Büsten und Statuen geführt. Mir gefiel trotz der vielen alten teuren Köpfe die Büste eines Demokrit, der etwa 50 bis 60 Jahre alt sein mochte, mehr als alles. Allein um mich nicht von der Frau, die das Kabinett zeigte, auslachen zu lassen, fiel mein Lob auf einen alten Caligula, dem die Zeichen der Auferstehung, römischer Gartenerde, noch hinter den Ohren saß, und die Frau sagte, ich müsste ein Herr von Geschmack sein.“

    Kulinarische Snobs gab es damals eindeutig auch schon: „Dass wir nur Geschmack an englischen und französischen Sachen haben, ist ein Zeichen, dass unser Geschmack und Kräfte sich voneinander entfernt haben. Unser Appetit ist leckerer als es noch zur Zeit unser Boden mit sich bringt.“ Und den literarischen Snobs rät er:  „Von den jedermann bekannten Büchern muss man nur die allerbesten lesen und dann lauter solche, die fast niemanden kennt, deren Verfasser aber sonst Männer vom Geist sind.“  Oder, den doch wohl sehr snobistischen Vorschlag: „In einem kalten Winter Bücher zu brennen.“

    Und schließlich, eine goldene Gebrauchsanweisung von Lichtenberg für Snob-Debütanten:  Die große Regel: Wenn dein bisschen an sich nichts Sonderbares ist, so sage es wenigstens ein bisschen sonderbar.“

     


  • Es tu mir wirklich leid: Sie müssen mich jetzt wieder in Französisch lesen (aber ich verspreche Ihnen, dass Sie in dieser Rubrik dann und wann mal mit einem exklusiven Deutschen Beitrag verwöhnen werde!) denn ich werde nicht weiter in Deutschland publizieren. Ich habe zwar mit einer göttlichen Energie und Geduld versucht die Herrschaften etwas geistreiche Lebenskunst zu unterrichten, aber darin waren sie wohl nicht sehr interessiert. Ich bekam nur Anregungen über meine Schreibfehler. Ja, das ist „klein“, dass find ich auch. Vielleicht wäre ich auch erfolgreicher gewesen, wenn ich Aufsätze geschrieben hätte über wie man seine Schnurrsenkel bindet oder ob olivengrüne Socken bei einem kanariengelben Taschentuch passen? Nun gut. Und so fand ich dann eines Tages meine Beiträge zwischen der Rubrik „Wäsche“ und einem leeren „Wohnen und Leben“- Titelkopf. Mehr brauche ich Ihnen doch hoffentlich nicht zu erklären.

    Nobel geht die Welt zu Gründe! A propos Nobel: nicht alle Deutschen haben Probleme mit dem Wörtchen SNOB! Diesen Monat erscheint ein neues Heft von Kosmopolis, die interkulturelle Zeitschrift aus Berlin, (bestimmt schon bekannt bei den intellektuellen Snobs unter Ihnen), woran ich mitgearbeitet habe. Mein Beitrag heisst: „Lob (eines Snobs) auf die Anonymität.“ Herta Müller, Nobelpreisträgerin Literatur 2009, hat auch einen noch nicht veröffentlichen Beitrag geliefert. Das ist doch supersnobistisch, oder?

    Sonst muss ich Ihnen leider mitteilen, dass ein Deutscher Verlag meinen kurzweiligen Ratgeber mit dem Titel „Kleines Stilbrevier für Schlampen“, überhaupt  nicht lustig und nicht genügend komplex fand, und politisch vielleicht auch etwas zu unkorrekt, wegen der Krise und so. Humor ist natürlich eine Privatsache. Man kann sehr intelligent sein, und eine bestimmt Art Vergnügtheit oder Ausgelassenheit nicht verstehen. Und ehrlich gesagt, hatte ich wirklich keine Lust auf eine umfassende Auseinandersetzung über die Hersteller und Marken im Luxus-Bereich. Das wäre doch eher eine Aufgabe für eine Assistentin. Das Brevier sollte doch kompakt sein damit es wahrlich in jeder, ob Gucci oder Hermès, Damenhandtasche passt! Als ob in diesen unstabilen Zeiten die stilgerechte Femme du Monde kein Recht auf Frivolität hat und ich kein Recht zum Faulenzen!

    Die Krise ist wie die Migräne: sie dient als Ausrede  für Alles. Dass der Verkauf von Champagner immer steigt wenn es die Welt mal wieder schlecht geht, das zeigen jedenfalls die Statistiken. Kaufen Sie denn nicht mehr Sekt als gewöhnlich?

    Ich verspreche meinen Deutsche Freundinnen also zu Weilen einen kleinen Ausschnitt. Garantiert ohne Kochrezepte. 100% Snobismus nur für Damen.  Because you’re worth it.  Ich werde Euch doch nicht so im Stich lassen! Lieber Himmel, ich werde ja sentimental!

    Ich weiss nicht ob man es Ihnen schon zugeflüstert hat: ich werde diesen Sommer eine Woche in Stuttgart verbringen! Hat man BMW oder einen sonstigen Automobilfabrikant schon benachrichtigt, dass ich dringend einen dezenten Chauffeur und ein Gefährt brauche?  Ist das Weingut Graf Adelmann schon informiert dass ich bald in der Nähe bin? Ist die Lufthansa noch immer pünktlich? Ach, ich hasse diesen Ferienstress! 

     





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